Mittwoch, 28. Februar 2018

Februar 2018 – Giarmata in den Medien

Züge fahren nur bis Giarmata und zurück
aus TION.ro, Timișoara / Temeswar, 03.02.2018
Die rumänische Bahngesellschaft CFR hat Landesweit 97 Zugverbindungen gestrichen. Ab 1. März werden Strecken, die bisher von weniger als 10 Reisenden benutzt wurden, nicht mehr befahren. Gleich sieben Züge der Strecke Timișoara / Temeswar – Remetea Mică / Blumenthal fielen der Streichungsmaßnahme zum Opfer. Sie werden nur mehr bis Giarmata und zurück fahren
+ + + Des hun se gut gemach, die Herre vun der CFR. Wann die aah Johrmark gstrich hädde, wäre mer deitschlänner Schwowe uf die Barrikaden gang. Hallo, des war unser Zugg. Mit dem sin mer in die Schul un uf die Arwet gfahr. Un so mancher oder manchi hot sei/ehre heidiche Lewespartner/in es eerschte Mol i’me iwerfillte Waggon an sich gedrickt. Des war doch scheen, morjets uf em Finefuhrzugg. + + +

Die Baufinanzierung soll in zwei Wochen bereitstehen
aus TION.ro, Timișoara / Temeswar, 10.02.2018
Der Finanzierungsplan für den Ausbau der Kreisstraße (DJ) 691 zwischen Dumbrăvița und der Anschlussstelle zur A1 bei Giarmata liegt beim Entwicklungsministerium in Bukarest. Weil die Stadt Temeswar ihre Staatsschulden beglichen hat, könnte der staatliche Finanzierungsbeitrag jetzt gesetzlich genehmigt werden, sagt Kreisratsvorsitzender Călin Dobra. Von der EU erwartet man für dieses Projekt 57,7 Millionen Lei. Der rumänische Staat will sich mit 8,8 Millionen beteiligen. Die verbleibenden Ausgaben soll der Kreis Timiș / Temesch tragen. Gebaut werden soll in zwei Abschnitten zu je 42 Monaten.
+ + + Das wären dreieinhalb Jahre. Wenn ich mich gut erinnere, wurden beim Bau der A1 sogar Termine unterstritten. Auf jeden Fall ein gutes Omen! Übrigens könnte ich mir vorstellen, dass die angegebenen Summen Euro und nicht Lei sind, wie es in dem Artikel vermerkt ist.+ + +

Haushaltsplan 2018
aus PrimăriaGiarmata.ro, Giarmata / Jahrmarkt, 14.02.2018
Der Haushaltsplan der Gemeinde Giarmata ist eine ziemlich lange Liste von Zahlen, deren Studium viel Zeit in Anspruch nimmt und ein gewisses Interesse an den Belangen der Bürgerschaft voraussetzt. Zuerst werden die eingeplanten Einnahmen der Gemeinde angegeben: 1. Trimester – 6.645.220 Lei, 2. Trimester – 5.102.600 Lei, 3. Trimester – 3.365.900 Lei, 4. Trimester – 2.904.280 Lei. Diese Summen werden detailiert 47 Einnahmenquellen zugeordnet. Den Einnahmen stehen folgende geplante Ausgaben gegenüber: 1. Trimester – 13.394.000 Lei, 2. Trimester – 13.075.500 Lei, 3. Trimester – 10.649.500 Lei, 9.919.000 Lei. Das ergibt immerhin ein Defizit von 29.020.000 Lei. Auch die geplanten Ausgaben sind aufgelistet – in 159 Punkten. Für die Müllabfuhr sind zum Beispiel 480.000 Lei veranschlagt, für Sozialhilfen können 530.000 Lei ausgegeben werden, für religiöse Dienste (servicii religioase) werden 362.000 Lei eingeplant, ein anderer Posten sieht zur Unterstützung der Religionsgemeinschaften (susținerea cultelor) 330.000 Lei vor, etc., etc. In einer zweiten Liste kann man den vorgeschlagenen Investitionsplan der Gemeinde für das vergangene Jahr sehen. Da hatte man etwas weniger Ausgabenkapital eingeplant: 36.038.000 Lei. Das meiste davon floss in Infrastrukturmaßnahmen.
+ + + Auf jeden Fall eine sehr erbauliche Lektüre – wie alle kommunalen Bugetauflistungen, ob hier in Deutschland, in Rumänien oder woanders. + + +

Schwerer Unfall zwischen Giarmata und Dumbrăvița
aus RenaștereaBănățeană.ro, Timişoara / Temeswar, 15.02.2018
Zwei erheblich beschädigte Fahrzeuge war das Resultat einer Kollision auf der Landstraße zwischen Giarmata und Dumbrăvița. Die veröffentlichten Fotos zeigen viel eingedrücktes Blech. Über Opfer werden keine Angaben gemacht. Die Polizei ermittelt, heißt es in dem Bericht.
+ + + Vier Spuren wären schon sehr wichtig auf dieser viel befahrenen Strecke. + + +

Lada cu zestre – Die Trachtentruhe
aus RenaștereaBănățeană.ro, Timişoara / Temeswar, 21.02.2018
Das beliebte Festival für Volkskultur wird heuer mit einem etwas abgeänderten Austragungsmodus abgehalten. Die Giarmataer müssen sich auf jeden Fall nicht im Wettbewerb mit anderen Kulturgruppen messen. Sie sind als Vorjahressieger heuer Gast der Veranstaltung. Es gibt fünf Wettbewerbssparten: 
Choreografie, Musik, Mundartdichtung - Volkstheater, Ausstellungen - Sammlungen und Gastronomie. Direktorin des Festivals ist Prof. Liliana Laichici.
+ + + Vormjohr war sogar noch e Blechmusik dabei – vun Rekasch, wann ich mich gut entsinn. + + +

Haushaltsplan 2018
aus PrimăriaGiarmata.ro, Giarmata / Jahrmarkt, 22.02.2018
Für den 28. Februar, 14:00 Uhr, wird der Gemeinderat einberufen. Getagt wird wie immer im Kulturheim. Sieben Punkte stehen auf der Tagesordnung. Es soll über den Hushaltsplan 2018 und einige Grundstücksprobleme verhandelt werden.

Ein Punkt
aus SportTim.ro, Timişoara / Temeswar; 26.02.2018
 Fußball - C4 (Liga III – Serie IV)
Die Mannschaften der 1. und 2. rumänischen Fußballligen sind schon im Wettbewerbsmodus. An diesem Wochenende starten auch die Drittligisten in die Rückrunde der Saison 2017/2018. Millenium Giarmata will auch diesmal den Klassenerhalt – sie ist die dienstälteste Mannschaft in dieser Liga überhaupt – schaffen; und zwar mit folgendem Aufgebot: Robert Miklos und Mihai Nariţa – Torhüter; Sinisa Sporin, Mircea Stupu, Darius Buzdugan, Ovidiu Ştefănescu, Michael Rosenblum, Alexandru Cherecheş, Dorin Codrea, Radu Domşa, Andrei Rus, Claudiu Ghighilicea, Sebastian Stoica, Mădălin Grunţă, Alin Pricop, Iseani Anagor, Alexandru Ciontu, Laurenţiu Copoeru, Marius Călin, George Beloescu und Alex Grigoriu. Trainiert werden die Jungs von Răzvan Leucă und Daniel Moraru.
+ + + Hai Giarmata! + + +

Der Bürgermeister im Interviu
aus FOAIA de GIARMATA, Timişoara / Temeswar;  Februar 2018
Die ganze Seite (foaia) ist mit einem Interview gefüllt. Die Fragen (nur angenehme) stellte Roxana Furdean. Die Antworten (nur positive) gab (fast wie immer) Bürgermeister Virgil Bunescu. Thema des Interviews: Schulen und Kindergärten. Der Platz wird eng in den Erziehungs- und Lehranstalten für Kinder und Jugendliche. Giarmata hat mit dem eingemeindeten Dorf Cerneteaz ca. 8000 Einwohner und der Zuzug junger Familien hält an. Der Bürgermeister denkt daher schon an ein neues Schulgebäude. In dem neuen Viertel hinter der Neugasse soll ein Kindergarten mit 120 Plätzen entstehen und „der alte Kindergarten, der von der ehemaligen IAS erworben wurde, soll wieder instandgesetzt werden“.

Montag, 19. Februar 2018

Seppi und Peppi unterhalten sich über den herbeigeredeten Geist der AfD

Seppi und Peppi sitzen in ihrem Bahnhofscafé und diskutieren über einen Artikel im DONAUKURIER.

- In Ingolstadt werden Künstler mit dem Oberbayerischen Heimatpreis ausgezeichnet.
- Das ist eine gute Sache.
- Nicht ganz.
- Warum? Haben die das nicht verdient?
- Doch. Aber die Location stimmt nicht.
-Wie bitte?
- Die Location, also der Ort, das Lokal passt nicht für eine solche Veranstaltung. Besonders weil der bayerische Heimatminister und zukünftige Ministerpräsident Markus Söder die Preisverleihung persönlich vornehmen wird.
- Was ist denn mit diesem Lokal, ist es baufällig? Kenn' ich es auch?
- Ich denke schon. Die Wirtschaft am Auwaldsee.
- Also hör mal, die ist doch hervorragend geeignet für eine solche Preisverleihung. Sie liegt in der Stadt und doch in unberührter Natur. Sie ist geräumig, hat mehrere Veranstaltungsräume, eine gute Küche und höfliche Bedienungen. Und das Gebäude selbst ist doch in hervorragendem Zustand, und vor allem  passt es vom Baustil her gut in diese Seelandschaft.
- Ja, aber les’ mal da, was die schreiben in der Zeitung.
- Was denn?
- Der Geist in diesem Haus macht einigen Leuten in der Stadt und anscheinend auch bei der Zeitung Sorgen. Es ist auch wahrlich ein böses Gespenst, das dort in dieser Waldwirtschaft herumspuckt.
- Hallo, der Fasching ist vorbei.
- Ja, ja, schon. Aber der Geist vom Gespenst geistert noch immer dort draußen herum. Und das ist kein Spaß, sondern todernst, sonst hätte die Zeitung diese Meldung nicht auf die erste Seite gesetzt und sogar noch mit einem Foto und einem Kommentar bestückt. Man darf den Söder nicht dorthin lassen. Nicht dass wir zum Schluss auch noch ohne Ministerpräsident in unserer Heimat bleiben. Es reicht schon, dass wir keine echte Regierung in Berlin haben, sondern nur eine … wie heißt das nur?
- Geschäftsführende.
- Ja, genau. Aber hier kann es noch schlimmer kommen. Wer weiß schon, was so ein Geist von einem Gespenst alles anrichten kann. Er kann dir die Sinne verwirren, deinen Geist zerstören. Nein, da will ich gar nicht weiter denken.
- Hm, scheint nicht ohne zu sein. Aber was ist denn das für ein Geist. Kennt ihn überhaupt jemand. Wurde er schon gesehen.
- Na klar. Er heißt AfD. Und immer wenn er auftaucht, zieht er wie ein Magnet Menschen in der Stadt aus ihren Häusern. Die versammeln sich dann immer vor der Wirtschaft am Auwaldsee und wollen den Geist vertreiben. Aber das ist noch nie gelungen. Der ist noch immer drin. Überall, in den Wänden, in der Luft. Überall. Stell dir mal vor, der kriecht hervor, wenn der Söder dort ist, kriecht in ihn hinein, und verwirrt seinen, ich mein dem Söder seinen, Verstand. Da ist unsere ganze Heimat gefährdet.
- Ja, aber wie ist dieser AfD-Geist überhaupt dorthin gekommen? Ist er vielleicht aus dem See emporgestiegen? Hat die Seekuh ihn vertrieben, als sie die Algen gemäht hat.
- Das weiß die Zeitung auch nicht. Sie schreibt bloß, dass die AfD, diese neue Volkspartei, immer dort tagt und ihren Geist beim Nachhausegeh'n zurücklässt. Eine ganz gefährliche Situation, das sag ich dir.
- Hm, mit der Sache ist wirklich nicht zu spielen. Und vor allem ist es hochinteressant. Wie wäre es, wenn wir morgen Nachmittag an den Auwaldsee fahren würden, um uns mal bei einem Kaffee von diesem AfD-Geist heimsuchen zu lassen?
- Also allein würde ich mich nicht trauen. Aber zu zweit können wir es ja versuchen.
- Okay. Aber jetzt genehmigen wir uns erst mal zwei große Gorbatschows. So als Mutmacher für morgen. Bedienung …!

Wer hätte gedacht, dass es nach diesem Nichtwinter doch noch Winter wird?

Montag, 12. Februar 2018

Popa ăl nemţesc - De deitsch Pharre

Popa ăl nemţesc
de Sorin Olariu

Stai să vez’ şe întâmplare, măi acu’, pân primăvară,
S-o fost dus uichiţu’ Nielu să să-nmoaie la Izvoară.
Ş-acolo, la Herculane, staţ, ca să vă povestăsc:
Nimerisă baş cu locu’ lâng-un un popă d-al nemţăsc.

Dom’ părince-ncins la soare, buchisa dân cărţulie,
Nielu – cu ţâgarea-n gură şî uiaga dă răchie.
Başca, pă v-o asistentă, măi scăpa şî câce-o mână,
Dă-l cârpea bieta muiere cu şe-avea pî la-ndămână.

- Dom’ părince!-nşepe uica, dumetale şcii măi bine,
O’ artrita, boala asta, cum să ia, dă unge vine?
Să uită la Nielu neamţu’, dî la cap pân la pişioare,
Prişepu el care-i şpilu’ şî ţî-l luă atunşea tare:

- Abăr cum, main zon, te unte? Te la trinchen... bautură,
Nopţi piertute cu fetiţe şi dohan bagat pe gură!
Toate asta se adunăm şi nici cât io zice: peşte!
Vine-artritănu la omu’ şi atunci îl polnăveşte!

P-ormă-i zâsă măi dăparce că-l văzu îngândurat:
- Zagt, main zon, du ai artrităn, că pe mine-ai întrebat?

- Da dă unge, dom părince!... Numa’ am şî io mirare,
C-am şicit pă la ţăitunguri cum că... papa vostru are!!


(din FOAIA DE RAMNA, martie 2014)

†                    †                     †

De deitsch Pharre
vum Sorin Olariu

Schau her, was do passeert is, jetz im Friehjohr,
De Uică* Nelu is sich an die Quell inwaache gfahr.
Und dort in Herkules hot er e Platz ghat – soon ich eich -
newer oom Pharre mit der Mottersproch Deitsch.

Hochwürden hot, ausgstreckt in der Sunn, geles i’me Buch,
Nelu – mi’m Zigarettl im Maul un der Rackiflasch uf.
Bei’re Assistentin is’m schun mol die Hand ausgeritscht
Un er hot vun der Fraa aah glei e gscheidi Watsch kriet.

„Herr Pharre“, fangt de Uică Nelu on, „dehr wisst meh,
Arthritis, die Krankheit, wie kriet merr die, wu kummt die her?“
Der Deitsch schaut de Nelu on vum Kopp bis an die Fieß
Un saat ehm sei Meinung klor un ohne vill Mitgfiehl:

„Aber wie, mein Sohn, von wo? Vom Trinken … Saufen,
Verlorenen  Nächten mit Mädchen  und vom vielen  Rauchen!
Das sammelt sich an, und wie du dich umsiehst: Zack!,
Kommt die Arthritis und hat dich krank gemacht!“

Un noo hot er dee nohdenkliche Nelu weider gfroot:
„Weil du mich fragst, hast du Arthritis, mein Sohn?“

„Awwer wu, Hochwürden! ... Gstaunt hun ich mich bloß,
Weil ich in der Zeidung geles hun, dass eier Papst se hot.“


(aus  FOAIA DE RAMNA, martie 2014)

[Iwersetzt vum Berns Toni aus’m rumänische banader Dialekt  in de Johrmarker Dialekt]
Uf der Schanz, 2014

Worterklärung:
Uică (rum. Regionalidiom) = Onkel, Vetterchen, Freundchen


Sorin Olariu ist ein Epgrammist und Mundartdichter, der im rumänischen Dialekt des Banats schreibt. Er wurde 1965 in Buchini, heute ein Stadtteil der südwestrumänischen Stadt Caransebeș / Karansebesch, geboren. Die Grundschule und das Lyzeum Traian Doda besuchte er in Karansebesch. In Timișoara / Temeswar studierte er am Politechnikum und anschließend wieder in Karansebesch an einem Ableger der Fakultät für Literatur, Geschichte und Theologie der Westuniversität Temeswar.
Er arbeitete als Journalist und unterrichtete Theologie am Industrielyzeum Nr. 2  in Karansebesch.
Sorin Olariu kann auf ein sehr reiches Œvre verweisen: Gedichtbände, Anthologien, Beiträge in Literaturzeitschriften und Teilnahmen an verschiedenen Literaturveranstaltungen – auch Radiosendungen. Allein auf dem Literaturportal poezie.ro (http://www.poezie.ro/index.php/author/0002998/Sorin_Olariu) kann man 1383 Texte (Prosa & Lyrik) von ihm lesen. Seine Arbeiten wurden in den Zeitschriften und Zeitungen MERIDIANUL (Temeswar), hier unter dem Pseudonym Sorin Solaris, ROSTIREA ROMÂNEASCĂ (Sibiu / Hermannstadt – Temeswar), RENAȚTEREA BĂNĂȚEANĂ (Temeswar), REDEȘTEPTAREA (Lugoj / Lugosch), TIBISCUS (Uzdin in Serbien), TOT BANATU-I FRUNCEA (Lugosch) veröffentlicht.
 Heute lebt Sorin Olariu in Michigan / USA.

Montag, 5. Februar 2018

Ein gestörtes Preis-Leistungs-Verhältnis

Nils Marvin Schulz: Untersuchung von Herta Müllers „Niederungen“ – Schreiben in der rumänischen Diktatur und Müllers Auseinandersetzung mit der banatschwäbischen Herkunft; GRIN Verlag; ISBN: 978-3-656-27843-6; 13,99 EUR

Um es gleich vorwegzunehmen: Noch nie  habe ich für so viel Geld so wenig Literatur oder Sekundärliteratur bekommen. Selber schuld, haben mich die Naturwissenschaftler in meiner Familie gehänselt, als sie erfuhren, wie ich ihren Gutschein für Papas Geburtstag verwertet habe. Geärgert habe ich mich natürlich nicht, denn als ehemaliger Musikant weiß ich längst, dass die gegenseitige Wertschätzung zwischen Geistes- und Naturwissenschaftlern jener (nicht todernst gemeinten) zwischen Bläsern und Streichern nicht unähnlich ist.

Um aber zur Sache zu kommen: Mein Bücherregal ist nicht gerade arm an Sekundärliteratur über Herta Müller. Aber weil ich gerne bei Hugendubel online bestelle und das Buch dann in der Buchhandlung abhole, habe ich mich auf der Homepage des Händlers mal umgesehen und bin auf eine Studienarbeit über die bekannten, bewunderten und gleichermaßen geächteten Niederungen gestoßen. Es könnte doch interessant sein, zu erfahren, wie Studenten heute aus neutraler Sicht über diese Erzählung denken und schreiben. Auch der erläuternde Untertitel weckte meine Neugierde: Schreiben in der rumänischen Diktatur und Müllers Auseinandersetzung mit der banatschwäbischen Herkunft. Das klang nicht nach einer Fokussierung auf eine Erzählung, die nur eine von 16 in einem Band, der ihren Titel trägt, ist – mit 77 Seiten allerdings die längste. (Herta Müller: Niederungen, Rotbuch Verlag, 1988). Also habe ich das Buch mit einigen Klicks bestellt und mich nach der Lieferungs-E-Mail erwartungsfroh auf den Weg in die Ingolstädter Fußgängerzone gemacht. Schließlich kann man ja bei solchen Gelegenheiten ausgiebig, auch bei einem Kaffee, in der Buchhandlung schmökern.

Dann hielt ich das „Buch“ in der Hand. „Buch?“ das hatte ich zwar bestellt, aber ohne auf die Seitenzahl zu achten. Mein für 13,99 Euro gekauftes „Buch“ war ein Paperback-Heftchen mit 19 (neunzehn!) nummerierten Seiten, insgesamt 24. Ich bestellte mir im Hugendubel-Café ein Haferl Kaffee und las ... in der FAZ. Das „Buch“ landete zu Hause auf einem Bücherstapel, befreit von der Plastikhülle und kurz durchgeblättert.

Dann kam eine jener Nächte, in denen ältere Herrschaften aufwachen und nicht mehr einschlafen können. Es war 1:00 Uhr. Ich schloss die Schlafzimmertür leise hinter mir, legte mich auf die Couch im Wohnzimmer und machte mich mit der Studienarbeit des Nils Marvin Schulz vertraut. Um 4:00 Uhr hatte ich die Untersuchung von Herta Müllers >Niederungen< studiert. Als einer, der sich beim Lesen immer Zeit nimmt und schon den ein oder anderen Satz, Abschnitt oder gar Kapitel zweimal oder sogar öfter liest – meist mit Bleistift und sämtlichen Wörterbüchern griffbereit -, war ich echt stolz auf diese Leistung. Noch nie hatte ich ein Buch (auch wenn das hier nur ein Heftchen ist) so schnell ausgelesen. Wohlgemerkt: mit Unterstreichungen und trotz der frühen Morgenstunden auch jetzt noch entzifferbaren Anmerkungen.

Der Inhalt könnte für einen Leser, der von Herta Müller nichts oder nur wenig gehört und gelesen hat, durchaus interessant sein. Für mich war es hingegen spannend zu erfahren, wo sich die Ausführungen des Autors mit meinen eigenen Erfahrungen decken. So zum Beispiel, wenn es auf Seite 12 heißt, in den Niederungen „werden die traditionellen banatschwäbischen Werte ins Groteske entstellt und aus der Perspektive der kindlichen Außenseiterin als anachronistisch und funktionslos entlarvt“.  Bezogen auf die „Perspektive der kindlichen Außenseiterin“ entziffere ich meine nächtliche Schrift am Seitenrand: „auch gültig für Jugendliche mit andersnationalen Liebschaften – lebenslange Traumata“.

Schon auf der nächsten Seite schreibt Nils Marvin Schulz: „Vor den Enteignungen wurde der Vermehrung des eigenen Besitzes größere Priorität eingeräumt, als Liebeshochzeiten oder die Ehe mit anderen Nationalitäten.“ Am Seitenrand erkenne ich wieder meine Handschrift: „starke soziale Kontrolle durch die Dorfgemeinschaft“. Tja, davon könnte ich nun wirklich ein eigenes Lied singen. (Eine Doina – ein Klagelied). Und solche Lieder gab und gibt es bestimmt auch heute noch zur Genüge.

Um meine eigenen Erfahrungen zu bedienen, hätte ich mir aber die 13,99 Euro sparen können. Dazu kam noch, dass ich diese Hausaufgabe der Vergleichenden Literaturwissenschaft im Fachbereich Germanistik – Komparatistik mit einer Benotung von 1,3 vorfand. Tatort: Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Das wiederum ergab bei mir die Frage: Was habe ich in meinem Leben nur falsch gemacht? Ich erinnere mich vage, dass ich damals beim Bakkalaureat über Marin Predas Moromeții doch auch 10 Seiten mit kleiner Handschrift zusammengebracht hatte. Hätte ich gewusst, dass man mit so wenig Geschriebenem so viel Geld verdienen kann, wie das bei dieser Untersuchung über die Niederungen anscheinend der Fall ist, hätte ich vielleicht nicht knapp drei Jahrzehnte lang in der deutschen Automobilindustrie schwitzen müssen.

Und was sagen meine Naturwissenschaftler in der Familie zu meinen Überlegungen? Sie schauen mich weiterhin belustigt an und meinen grinsend bis an die Ohren: „Ja, ja, die Germanisten.“  
Anton Potche