Montag, 22. August 2016

Der Name Giarmata ist älter, als ich dachte

Wer war Johann Hieronymo? Da kommt einiges zusammen. Der Mann war „Freyherrn von und zum Jungen, Kayserl. würklichen geheimen Rath, General-Feld-Marschall, Obristen eines Regiments zu Fuß, und Chef der Kayserl. Völker in der in den Österreichischen Niederlanden“. Mit seinem Tod ist auch das Geschlecht der „Freyherrlichen Familie von und zum Jungen“ am „A. 1732 den 25 August gänzlich erloschen“.

Dass so ein Mann sich auch mit Geschichte beschäftigt, fand ich gar nicht so abwegig und glaubte, den Autor des 1684 veröffentlichten Werkes Relatio Historico-Politica // occupata circá // … // Die der Aristoteles Historiam … nennet; //  Hinderbringt dem Günstigen und curieusen Lectori // Alle von dem Höchstlöbl. // Erz-Haus Oesterreich // Als dieser Zeit // Einiger Vormauer des Vaterlands Teut- // scher Nation // Mit dem grausamen Türken geführter glücklicher und unglück- // licher Kriege; // Mit Darstellung // Gottes augenscheinlicher Assistenz / diesem höchst-lobl. // Erz-Haus allezeit erwiesen / wider Ihre heimliche und // öffentliche Feinde: continuirt // Bis auf die letzte Action des Christ-hüllflichen Entsatzes der // geliebten Residenz-Stadt // Wien // und Eroberung der Vestung // Gran. // Von // Johann Hieronymo Im Hof // von Merlach / Hoch-Fürst. Bamberg. Rath / und // Pflegern zu Vilseck. // Sulzbach // In Verlegung Johann Hofmann / Buch- und Kunst Händlers // in Nürnberg // Anno M. DC. LXXXIV. gefunden zu haben.

Allerdings kamen mir dann bei den Autor- und Verlegerangaben Bedenken. Da hat alles einen fränkischen Bezug, während die „Freyherrlichen Familie von und zum Jungen“ ein mitterheinisches Adelsgeschlecht war. Das sprach zwar noch nicht gegen den Freiherrn von und zum Jungen, eröffnete aber auch die Möglichkeit einer anderen Autorschaft. Die könnte sich besonders aus der ziemlich freien Rechtschreibung jener Zeit ergeben, dachte ich mir und suchte weiter. Bis ich in einer Datenbank auf ihn stieß: Im Hof, Johann Hieronymus (1627 - 1705), Jurist, aus Nürnberg; Sohn des gleichnamigen Nürnberger Stadtrichters (1598 - 1663); verh. mit Regina Clara, geb. Imhof; Pfleger, Geheimer Rat, pfalz-neuburgischer Regierungsrat, Historiker und Publizist.

Bekannt ist sein Werkverzeichnis von neun historisch-politischen Veröffentlichungen in der Zeitspanne 1652 bis 1706. (Das hier erwähnte Werk fehlt leider.) Es werden sage und schreibe 20 Namensvarianten für diesen Herrn angegeben. Unter ihnen ist auch der Name Im Hof von Merlach, Johann Hieronymus. Dass auf dem Buchdeckel der Name Johann Hieronymo und nicht Johann Hieronymus steht wird etwas mit der lateinischen Schreibweise dieses Namens zu tun haben. Wir befinden uns nämlich in einer Zeit, in der unsere deutsche Sprache sich erst so richtig zu etablieren begann. Die Schriften waren meistens in einem Deutsch-Latein verfasst, dass sich auch im Druck widerspiegelte: lateinische Ausdrücke in lateinischen Buchstaben und deutsche Wörter in der Sütterlindruckschrift. Sogar einzelne Wörter wurden mit verschiedenen Schriftarten geschrieben. (Das muss eine spannende Zeit gewesen sein, die es aber auch heute noch zu geben scheint. In Moldawien etwa schreibt man rumänisch noch teilweise mit kyrillischen Buchstaben.)

Nun war ich mir fast sicher, dass dieser Herr Im Hof von Merlach, Johann Hieronymo der von mir gesuchte und im Archiv des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg als Imhoff von Lonnerstadt, Johann Hieronymus (1624 - 1705) geführte Autor obigen Buches ist. Ziemlich viel Aufwand für ein 332 Jahre altes Buch, das von den Türkenkriegen erzählt, könnte man sagen. (Auf Auktionen wird es immerhin für 1000 Euro angeboten.) Das hätte ich wahrscheinlich auch gesagt, wenn ich nicht wieder mal meiner Schmökerleidenschaft freien Lauf gelassen hätte. Und die führte mich auf die Seite 154, wo das vierte Kapitel (Caput IV.) beginnt. Der Titel: „Nun wollen wir kürzlich/ ehe wir auf den Ragozischen und daraus erfolgten Türkischen Krieg/ in unser Relatione Historica kommen/ Chronologicé entwerffen/ was von Jahren zu Jahren die Ottomanische Macht der Christenheit abgenommen/ und was dieselbe unter der mächtigen Hand des Erz-Herzoglichen Haus Oesterreich/ item der angrenzenden Respubl. Venedig/ noch bis dato in Ungarn/ Dalmatien/ Croatien/ Slavonien/ besitzet: und das gleichsam in einer kurzen Tabel, dem Hochgeneigten Leser entwerfen.

Es handelt sich also um eine Tabelle mit den Jahreszahlen, die den Vormarsch der Osmanen in Europa zeitlich markieren. Der erste Listeneintrag gilt der Unterwerfung der „Landschaft Bithyniam, eine Provinz in Asia Minore gelegen“. Man schrieb das Jahr 1300. Und es ging in recht flottem Eroberungsrhythmus durch das 14., 15. und 16. Jahrhundert. Auf der Seite 156 kann man dann folgenden Eintrag lesen: „Hingegen aber hat Ferdinandus I. Römischer Käyser/ welcher sich Anno Christi 1521 mit Anna/ Königs Ludovici Schwester verheyrathet/ nach gedachtes Ludovici unglücklichen Tod/ Anno 1526. die Cron Ungarn Jure hæreditario anzutretten/ und seiner posterität zu zueignen/ entschlossen ; Hierauf die Residenz-Stadt Ofen ihme dem Türken wieder abgenommen/ der Türk hingegen Anno 1541. solche wiederum unter seine Gewalt gebracht/ darauf sich
Anno C. 1543 an Walponiam, Stul-Weissenburg und Totis gemacht.
Anno C. 1552 an Temeswar. Lippa. Solymos. Chianadi. Zolnock. Seczieno. Dregella. Giarmata.“

In unser heutiges Deutsch übertragen, heißt das soviel wie: Giarmata, von den später angesiedelten Deutschen Jahrmarkt genannt, ist im Jahre 1552 unter türkische Verwaltung gefallen. Diese Jahreszahl ist in der Geschichte Jahrmarkts bekannt. Neu ist aber die Tatsache, dass nicht das Gut „Gyarmatha“ (wie bei Franz Urban und Stefan Stader) in einem relativ zeitnahen historischen Werk genannt wird, sondern „Giarmata“, wie die Ortschaft auch heute noch heißt. Auch in späteren Jahren wird die vom Gut (im 14. Jahrhundert auch unter Zamar, Gormat, Garmad oder Garmat bekannt) zum Dorf gereifte Ortschaft mit verschiedenen Namen in diversen Geschichtsquellen erwähnt: Gyarmata-Utraque, Jermat (sogar zwei Ortschaften: Veliki und Mali) sowie Temesgyarmat. Nur wann zum ersten Mal die heutige Schreibweise benutzt wurde, war bisher (zumindest mir) nicht bekannt. Umso mehr wunderte es mich beim Durchblättern der Relatio Historico-Politica des Im Hof von Merlach, Johann Hieronymo dass der Name „Giarmata“ schon 1684 in einem deutschen Werk auftaucht. Darauf dürfen auch die heutigen Bewohner Giarmatas stolz sein. Und die ehemaligen Einwohner Jahrmarkts sowieso.

Anton Potche

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