Montag, 18. Januar 2016

Eine Mischung aus Film und Theater

Sergei Michailowitsch Eisenstein wurde 1898 in Riga geboren und ist 1948 in Moskau gestorben. Er war ein russischer Filmregisseur, dem wir so berühmte Filme wie Streik (1925), Panzerkreuzer Potemkin (1925) oder Oktober (1928) verdanken.

Peter Greenaway (*1942) ist ein britischer Filmregisseur. Zu seinem reichen Œvre gehören die Filme Der Kontrakt des Zeichners (1982), Der Bauch des Architekten (1986), Die Bettlektüre (1996) und noch einige mehr. Auf der Berlinale 2015 bekam sein neuester Streifen Eisenstein in Guanajuato gute Kritiken und kam am 12. November in die Kinos. Ich war neugierig auf diese Eisenstein-Story und marschierte los. Hätte ich vorher das Interview mit Greenaway im TAGESSPIEGEL (12.11.2015) gelesen, hätte ich’s vielleicht unterlassen. "Narrativität ist Mist! Das Kino sollte aufhören, ein Sklave der Story zu sein", tut er da kund.

Und so war's dann auch. Ich bekam in einer Exklusivdarbietung (als einziger Zuschauer im Saal) ein expressionistisches Filmkunstwerk präsentiert. Es fehlte nie an Verzerrungen und kontrastreichen Bildern, auch Überlappungen und Dreiteilungen zur Nachdruckverleihung der einen oder anderen Aussage sind ein häufig eingesetztes Stilmittel. Nichts war da von einer konfliktgeladenen Handlung zu sehen. Und trotzdem tat sich dem Zuschauer, also mir, eine Welt mit vielen epocheprägenden Namen auf: Charlie Chaplin, Upton Sinclair u. a. Aber auch diese Welt musste ich mir vorstellen, soweit die mit Dokumentarfilmmethode eingeblendeten Schwarzweißporträts mir etwas sagten. Dass Eisenstein selbst immer gestenreich darüber referiert, macht die Sache nur bedingt einfacher. Dazu gesellen sich immer wieder befremdende Bildmontagen und überraschende Schnitte. Das Ganze verleiht dem Streifen einen avantgardistischen Anstrich: Greenaway als Vorkämpfer für eine neue Filmidee.

Die ganze Inszenierung dieses Mexikoaufenthaltes von Sergei Eisenstein, während dem er Unmengen an Filmmaterial produzierte, kann oder will ihre Theaterhaftigkeit nie ablegen. Das gilt schon für das Szenenbild - mit all seiner mexikanischen Farbenpracht. Und der einzige erkennbare Erzählstrang reduziert sich auf das von Frivolität nur so strotzende und teilweise sogar an Sodomie erinnernde Liebesverhältnis - wie es sich anfühlt, weiß ich nicht, aber tierisch sieht es allemal aus - zwischen dem russischen Regisseur und seinem ständigen mexikanischen Begleiter und Reiseführer Palomino Cañedo.

In einem SPIEGEL-ONLINE-Interview sagt Peter Greenaway: " Das Kino von heute ist eben sehr, sehr langweilig." Seinen letzten Film, Eisenstein in Guanajuato, würde ich jetzt nicht unbedingt als langweilig apostrophieren, aber kurzweilig ist er auch nicht. Man muss sich halt ein wenig anstrengen, wie das im heutigen Regietheater ja auch oft der Fall ist. Kunst, oder was man so dafür hält, ist nun mal nicht nur zum Delektieren da. Auf jeden Fall hätte Sergei Eisenstein auch ein narrativer Film ganz gut zu Gesicht gestanden. Ob der ihm dann auch gefallen hätte, ist eine andere Frage. 

Eisenstein in Guanajuato, Regie & Buch: Peter Greenaway, Darsteller: Elmar Bäck als Sergei Eisenstein, Luis Alberti als Palomino Cañedo, Maya Zapata als Conceptión Cañedo u. a.
Anton Potche

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