Montag, 19. Januar 2015

Egerländermusik zum Jahresausklang

Wenn das Wetter sich über das Gemüt und der Abend über den Tag legt, dann sind ganz persönliche Verhaltensweisen angesagt. Ich gehe da gerne an meinen CD-Ständer und greife nach einer Scheibe. Und zwar nicht nach irgendeiner, sondern gezielt nach einer mit Egerländermusik. Eine Frage auf dieses gezielte Suchen erübrigt sich, weil ich darauf sowieso keine Antwort habe. Oder doch?

Wenn die Scheibe sich im CD-Player zu drehen beginnt, schließe ich die Augen. Und mein bisheriger Blick in den Nebel nimmt Takt für Takt andere Bilder auf. Sie sind zwar auch nicht gestochen klar, aber sie eröffnen ein Tor, durch das ich schreite, hinaus, nein hinein in meine Vergangenheit. Und da spielt sie wie eh und je, meine geliebte Blasmusik. Und die Musikanten stehen im Kreis, der Kapellmeister in der Mitte. Und die Hochzeitsgäste kommen. Oder die Kirchweihpaare trudeln ein. Bekannte Gesichter. Sie waren immer da. Und sie sind noch immer da, hinter meiner Schädeldecke. Eingemeißelte Bilder für die Ewigkeit. Um sie aus ihrer Erinnerungsstarre zu erwecken, benötigt es nur eines musikalischen Backgrounds – böhmische Blasmusik.

Ich liebe dieses Erinnerungsritual und werde es bestimmt, solange mir das Schicksal einen eigenen, bewusst empfundenen Willen schenkt, leben. Auch 2014 hat uns einen Herbst beschert und mit ihm kurze, sonnenlose Tage. Aber er hat auch meinen Schritt in ein künstlich hell erleuchtetes Kaufhaus gelenkt. Eine solche Einkehr ist für mich trotz allen Glanzes nur erträglich, wenn es auch eine Bücher- oder Musikabteilung in dem Shoppingpalast gibt. Es war ein guter Herbsttag, auch wenn die Sonne mal wieder die Donau keines Blickes würdigte. Ich griff nach dem Album 2014 der Egerländer Musikanten, Musik für Generationen, und hörte kurz hinein. Alles in Ordnung, alles beim Alten, die vertrauten Klänge..., zumindest zum Teil.

Zu Hause führte ich mir dann die Musik für Generationen in üblicher Art und Weise zu Gemüte. Als die Zwei Tränen (Komp.: Karel Vacek) flossen, war ich längst über alle Berge, hinweg von dieser Welt und mit Wanderfreunde[n] (Komp.: Nick Loris) unterwegs in zeitlich und geografisch fernen Gefilden..., um je aus meinen Träumen gerissen zu werden. Du lebst heute und jetzt. Also, bitte sehr. Musik ist mehr als Egerländerweisen: Tarantella, Vals boémia, Samba boémia (Komp.: Ernst Hutter / Klaus Wagenleiter) und ein von Bandleader Ernst Hutter getexteter Song für Generationen. Klassische und zeitgenössische Bläsermusik, wie BAYERN 1 sie uns dankenswerterweise seit Jahrzehnten sonntags morgens um 11 präsentiert. Und immerhin nicht fremd. Schließlich spielte man ja selber vor Jahren nach den Taktschlägen eines Bernd Maltry und Christian Lombardi. Aber was diese Generationen-Suite hier hergibt, klingt aus anderen musikalischen Sphären herab – nicht um zu demütigen, sondern um aufzumuntern. Kommt, versucht es, hört herein, Ihr werdet es schön finden... Das kann schon sein. Bei dieser Perfektion! So klingt sie nun mal, die Musik für [junge] Generationen – grandios, mit virtuosem Können interpretiert.

Aber auch sie ist nicht minder grandios, die Musik für [betagte] Generationen – mit dem die Sinne beeinflussenden – manchmal auch betörenden! – Melodienzauber. Man muss wahrlich kein Blasmusikfan sein, um sie zu kennen – das stelle ich immer wieder mit belustigter Genugtuung bei meinen Kindern fest -: So ein Schöner Tag, Dort tief im Böhmerwald, Rosamunde, Im schönen Prag, Südböhmische Polka, um nur die hier in einem Medley eingespielten Melodien zu erwähnen. 

Es macht wenig Sinn sich über die außergewöhnliche musikalische und tontechnische Qualität dieser CD auszulassen. Man müsste sich eigentlich nur wiederholen. Das gilt auch für den Gesang. Die Aufnahme entstand in zwei Studiosessions, gemeint sind natürlich Aufnahmezeiten, im April und Juli 2014 in den Bauer Studios in Ludwigsburg. Ich habe meine Musik für Generationen im Drogeriemarkt Müller für 14,99 Euro gekauft. Und sie wird mir bestimmt nicht nur in der lediglich von Kerzen erhellten Zeit sehr zugute kommen.
Anton Potche

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