Die Schlammschlachten vor der Präsidentschaftswahl am 2.
November 2014 in Rumänien und ihre Fortsetzungen in gesteigerter Form bis zur
Stichwahl am kommenden Sonntag, 16. November, sind an Geschmacklosigkeit nur
schwer zu überbieten. Der Beispiele gibt es mehr als genüge. Um nur eins zu
erwähnen: Am Abend des 3. November, also einen Tag nach der Wahl, behauptete
ein Diskussionsteilnehmer beim Hetzssender Antena 3– davon gibt es einige in
Rumänien -, Klaus Johannis könne auf
einer Weltkarte nicht nur das Kaspische Meer nicht erkennen, ja, er könne nicht
einmal auf Anhieb die Nachbarlandkreise seines Heimatkreises Sibiu
(Hermannstadt) nennen. Das kann man wohl kaum noch als Schläge unter die
Gürtellinie nennen. Solche Aussagen zeugen lediglich von der Dummheit des
betreffenden Diskutanten.
Ein Blick auf das Wahlergebnis führt natürlich viel weiter
als solche auch für die rumänische Medienlandschaft beschämenden
Beleidigungstiraden auf irgendeinen der beiden noch im Rennen liegenden Kandidaten.
Die Wahlbeteiligung lag landesweit bei 53,16%. Am höchsten war sie im Kreis
Ilvov mit 65,17% und am geringsten im Kreis Vaslui mit 45,84%.
Keiner der 14 angetretenen Kandidaten hat die absolute
Mehrheit erreicht, so dass die zwei Erstplatzierten sich in einer Stichwahl um
das Amt des Präsidenten – Traian Băsescu
darf laut Verfassung nach 10-jähriger Amtszeit nicht mehr kandidieren – bemühen
werden. Der Sozialdemokrat Victor Ponta
hat im ersten Wahlgang stolze 40,33% eingefahren, während der zweitplazierte Klaus Johannis es auf immerhin 30,44%
gebracht hat.
Bezogen auf die 41 Landkreise plus Bukarest sieht das
Ergebnis ziemlich differenziert aus.
Geht man die administrativ-territoriale Karte Rumäniens von
Osten nach Westen durch, dann bekommt man folgendes Bild:
01. Constanța: Victor
Ponta – 37,36%; Klaus Johannis –
29,41%
02. Tulcea: Victor
Ponta – 42,76%; Klaus Johannis –
26,25%
03. Călărași: Victor
Ponta – 49,76%; Klaus Johannis –
27,36%
04. Ialomița: Victor
Ponta – 53,61%; Klaus Johannis –
18,99%
05. Brăila: Victor
Ponta – 51,53%; Klaus Johannis –
20,03%
06. Galați: Victor
Ponta – 48,11%; Klaus Johannis –
24,97%
07. Vaslui: Victor
Ponta – 54,03%; Klaus Johannis –
21,55%
08. Iași: Victor
Ponta – 43,46%; Klaus Johannis –
29,73%
09. Botoșani: Victor
Ponta – 55,59%; Klaus Johannis –
22,09%
10. Suceava: Victor
Ponta – 43,84%; Klaus Johannis –
32,63%
11. Neamț: Victor
Ponta – 49,41%; Klaus Johannis –
22,65%
12. Bacău: Victor
Ponta – 49,62%; Klaus Johannis –
25,84%
13. Vrancea: Victor
Ponta – 49,95%; Klaus Johannis –
26,82%
14. Buzău: Victor
Ponta – 54,21%; Klaus Johannis –
19,90%
15. Giurgiu: Victor
Ponta –
61,32%; Klaus Johannis –
15,40%
16. Ilvov: Victor
Ponta – 39,85%; Klaus Johannis –
27,80%
17. București: Victor
Ponta – 31,74%; Klaus Johannis –
27,24%
18. Dâmbovița: Victor
Ponta – 52,54%; Klaus Johannis –
23,78%
19. Prahova: Victor
Ponta – 39,41%; Klaus Johannis –
27,71%
20. Covasna: Victor
Ponta – 13,69%; Klaus Johannis –
14,96%, Kelemen Hunor – 50,41
21. Brașov: Victor
Ponta – 30,75%; Klaus Johannis –
39,00%
22. Harghita: Victor
Ponta – 8,13%;
Klaus Johannis – 10,76%; Kelemen Hunor – 62,97%
23. Bistrița-Năsăud: Victor
Ponta – 36,28%; Klaus Johannis –
44,68%
24. Mureș: Victor
Ponta – 26,49%; Klaus Johannis –
32,02%; Kelemen Hunor – 22,96%
25. Sibiu: Victor
Ponta – 19,35%; Klaus Johannis –
69,87%
26. Argeș: Victor
Ponta – 49,75%; Klaus Johannis –
20,99%
27. Teleorman: Victor
Ponta – 57,92%; Klaus Johannis –
23,24%
28. Olt: Victor Ponta
– 59,99%; Klaus Johannis – 18,94%
29. Vâlcea: Victor
Ponta – 44,32%; Klaus Johannis –
34,42%
30. Dolj: Victor
Ponta – 56,03%; Klaus Johannis –
23,64%
31. Gorj: Victor
Ponta – 50,25%; Klaus Johannis –
24,38%
32. Hunedoara: Victor
Ponta – 43,59%; Klaus Johannis –
31,64%
33. Alba: Victor
Ponta – 27,43%; Klaus Johannis –
52,57%
34. Cluj: Victor
Ponta – 23,79%; Klaus Johannis –
42,53%
35. Sălaj: Victor
Ponta – 32,15%; Klaus Johannis –
34,53%
36. Maramureș: Victor
Ponta – 36,46%;
Klaus Johannis – 36,55%
37. Satu Mare: Victor Ponta – 31,63%; Klaus Johannis – 32,37%
38. Bihor: Victor
Ponta – 32,24%; Klaus Johannis –
37,31%; Kelemen Hunor – 11,80%
39. Arad: Victor
Ponta – 29,48%; Klaus Johannis –
44,55%
40. Timiș: Victor
Ponta – 29,66%; Klaus Johannis –
42,03%
41. Caraș-Severin: Victor
Ponta – 43,03%; Klaus Johannis –
34,48%
42. Mehedinți: Victor
Ponta – 57,40%; Klaus Johannis –
21,10%
43. Rumänen im Ausland: Victor
Ponta – 15,89%; Klaus Johannis –
46,17%; Monica Macovei – 15,20% (In
Deutschland konnte Klaus Johannis von
8.149 gültigen Stimmen 5.048 auf sich vereinen, Monica Macovei bekam 1.594 und auf Victor Ponta entfielen 506 Stimmen.)
Man kann aus einer solchen Auflistung natürlich unendlich
viele Schlüsse ziehen, allerdings ohne Endgültigkeitswert, sondern immer offen
für viele Interpretationen. Klar erkennbar ist eine Linie der Wähleroptionen
zwischen den ehemaligen Fürstentümern Moldau und Walachei zu den Gebieten der verblichenen Habsburger
Monarchie, Siebenbürgen und Banat. Besonders im Osten und Süden Rumäniens liegt
der amtierende Premier Victor Ponta
(PSD) klar vorne. In Siebenbürgen und dem Banat konnte hingegen Klaus Johannis (PNL) stark punkten.
Wäre da nicht der ungarische Kandidat Kelemen
Hunor (UDMR) gewesen, der in zwei Verwaltungskreisen richtig abgeräumt hat,
wäre der Rückstand von Johannis auf Ponta vielleicht noch etwas geringer
ausgefallen.
Damit wären wir eigentlich beim Nationalitätenaspekt
Rumäniens. Besonders die von Hunor
erzielten Teilerfolge zeigen, dass die ungarische Minderheit klar nach
ethnischen Gesichtspunkten gewählt hat. Bei Johannis kann man das so nicht behaupten, ist die Zahl der
Deutschen in Siebenbürgen und dem Banat doch viel zu gering, um ein
Wahlergebnis entscheidend zu beeinflussen. Das wiederum spricht aber für die
Politik und den Wahlkampf des Hermannstädter Bürgermeisters. Wer die Geschicke
einer Stadt so erfolgreich leitet, wie Klaus
Johannis das seit 14 Jahren tut, kann ja wohl kaum alles schlecht gemacht
haben. Dazu kommt sein Engagement im bürgerlichen Lager (PNL und PDL, die sich zur Christlich Sozialen Allianz, ACL, zusammengeschlossen haben), dem die
Menschen im Banat und Siebenbürgen schon immer offener gegenüberstanden als der
Rest des Landes. Der Blick nach Westen war hier (auch geschichtlich bedingt)
schon immer schärfer.
Was die Beliebtheitsskala bei der eigenen Wählerschaft
betrifft, könnte man aus der Tabelle herauslesen, dass Klaus Johannis der beliebtere Politiker ist. Sein bestes Ergebnis
liegt bei 69,87% und sein schlechtestes bei 10,76%, während bei Victor Ponta dieses Verhältnis 61,32%
zu 8,13% steht. Fast gleichauf lagen die zwei Kandidaten nur im
Verwaltungskreis Maramureș, ganz im Norden des Landes.
Und dann wären da noch die Auslandsrumänen. Es gab bei der
Wahl viele Ungereimtheiten in den anscheinend zu wenigen und vor allem zu schwach besetzten
Wahllokalen in vielen Metropolen Europas. Entweder man hat das Interesse der
außerhalb Rumäniens lebenden Rumänen an der Präsidentschaftswahl unterschätzt
oder man hat im Regierungslager die Wahlinklination vieler dieser Menschen gefürchtet. Zumindest Letzteres könnte darauf hindeuten, denn Johannis hat bei dieser Wählerschaft
eindeutig die Nase vorn. Mittlerweile ist Außenminister Titus Corlățean sogar zurückgetreten. Es wird sich bei der
Stichwahl zeigen, ob die Menschen sich das stundenlange Schlangestehen vor den
Wahllokalen noch einmal antun werden. Ihre eventuelle Resignation spielt natürlich
dem Premier in die Karten. Das Thema kam gestern Abend beim Fernsehduell der
beiden Kandidaten gleich als Erstes zur Sprache.
Die beiden
Präsidentschaftskandidaten haben sich zum ersten Mal vor den Fernsehkameras getroffen. Ich
habe einen sehr angriffslustigen, mit dem Faktenmaterial eines Premiers
ausgestatteten Victor Ponta und
einen eher staatsmännisch agierenden Klaus
Johannis erlebt. Der Kontrast zwischen zwei Politikern kann kaum größer
sein. Ich würde sagen, nach dem ersten Rededuell liegt Ponta vorne, weil sein
forscher Stil – er scheute sich nicht zu behaupten, Johannis führe sich auf wie ein Gutsherr, und die Erwähnung von
Kanzlerin Merckel sollte wohl auf
eine deutsche Marionettenrolle des Siebenbürger Sachsen hindeuten (eine ganz
fiese Nummer) – besonders den auf dem Lande lebenden Rumänen, und das ist immer
noch die Mehrheit, eher zusagt. Denn dass es sich hier um eine reine Personen-
und in keiner Weise um eine Themenwahl handelt, dürfte jedem klar sein. Heute
Abend soll es eine zweite Runde auf dem Sender b1 geben.
Zieht man in Betracht, dass Victor Ponta beim ersten Wahlgang 28 Verwaltungskreise für sich
gewinnen konnte, dann darf man ihn wohl so oder so als klaren Favorit der
Stichwahl sehen. Da man aber nie weiß, wie die Anhänger der anderen Kandidaten,
und besonders die von Kelemen Hunor, Elena Udrea und Monica Macovei in der Wahlkabine entscheiden werden, kann man Klaus Johannis ruhig und ohne Häme zurufen: Du hast keine Chance,
nutze sie! Schließlich und endlich ist noch keine Wahl von Demoskopen,
Journalisten und in Talk Shows herumblödelnden Politikern gewonnen worden.
Anton Potche
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