Mittwoch, 19. November 2014

Klaus Johannis hat seine Chance genutzt

Vor einer Woche habe ich dem Bürgermeister von Sibiu / Hermannstadt, Klaus Johannis, von dieser Stelle geraten: „Du hast keine Chance, nutze sie!“ Das hat der daheim gebliebene Siebenbürger Sachse auch in überzeugender, für viele politische Beobachter in verblüffender Art und Weise getan. Die Rumänen haben ihn zu ihrem neuen Präsidenten erkoren. Das Ergebnis wurde im Laufe des Wahlabends immer deutlicher und lautete zum Schluss: 54,43% zu 45,56% für Johannis. (Zahlen vom Zentralen Wahlbüro - BEC).

Die Wahlbeteiligung war auf 64,10% angestiegen. Dazu kamen über 378.000 abgegebene Stimmen im Ausland. (Das Wahlergebnis aus der Diaspora wurde bis jetzt von BEC noch nicht veröffentlicht.) Das deutet auf ein stark gestiegenes Interesse gegenüber dem ersten Wahlgang hin. Die ausschlaggebenden Faktoren für den für viele überraschenden Sieg des Hermannstädter Bürgermeisters – besonders in dieser Deutlichkeit – lassen sich aus den Wahlergebnissen der Verwaltungskreise herauslesen.

01. Constanța: Victor Ponta – 42,93%; Klaus Johannis – 57,07%
02. Tulcea: Victor Ponta – 47,37%; Klaus Johannis – 52,63%
03. Călărași: Victor Ponta – 55,18%; Klaus Johannis – 44,82%
04. Ialomița: Victor Ponta – 61,40%; Klaus Johannis – 38,60%
05. Brăila: Victor Ponta – 57,94%; Klaus Johannis – 42,05%
06. Galați: Victor Ponta – 54,03%; Klaus Johannis – 45,97%
07. Vaslui: Victor Ponta – 59,70%; Klaus Johannis – 40,30%
08. Iași: Victor Ponta – 49,33%; Klaus Johannis – 50,67%
09. Botoșani: Victor Ponta – 62,72%; Klaus Johannis – 37,28%
10. Suceava: Victor Ponta – 48,50%; Klaus Johannis – 51,50%
11. Neamț: Victor Ponta – 54,95%; Klaus Johannis – 45,05%
12. Bacău: Victor Ponta – 53,55%; Klaus Johannis – 46,45%
13. Vrancea: Victor Ponta – 53,77%; Klaus Johannis – 46,23%
14. Buzău: Victor Ponta – 60,00%; Klaus Johannis – 70,00%
15. Giurgiu: Victor Ponta – 68,38%; Klaus Johannis – 31,62%
16. Ilvov: Victor Ponta – 48,18%; Klaus Johannis – 51,82%
17. București: Victor Ponta – 45,00%; Klaus Johannis – 55,00%
18. Dâmbovița: Victor Ponta – 58,08%; Klaus Johannis – 41,92%
19. Prahova: Victor Ponta – 47,53%; Klaus Johannis – 52,47%
20. Covasna: Victor Ponta – 22,05%; Klaus Johannis – 77,95%
21. Brașov: Victor Ponta – 36,91%; Klaus Johannis – 63,09%
22. Harghita: Victor Ponta – 20,22%; Klaus Johannis – 79,78%
23. Bistrița-Năsăud: Victor Ponta – 37,73%; Klaus Johannis – 62,26%
24. Mureș: Victor Ponta – 31,36%; Klaus Johannis – 68,64%
25. Sibiu: Victor Ponta – 20,52%; Klaus Johannis – 79,48%
26. Argeș: Victor Ponta – 59,27%; Klaus Johannis – 40,73%
27. Teleorman: Victor Ponta – 63,42%; Klaus Johannis – 36,58%
28. Olt: Victor Ponta – 64,77%; Klaus Johannis – 35,23%
29. Vâlcea: Victor Ponta – 50,71%; Klaus Johannis – 49,29%
30. Dolj: Victor Ponta – 60,60%; Klaus Johannis – 39,40%
31. Gorj: Victor Ponta – 58,30%; Klaus Johannis – 41,70%
32. Hunedoara: Victor Ponta – 50,37%; Klaus Johannis – 49,63%
33. Alba: Victor Ponta – 30,40%; Klaus Johannis – 69,60%
34. Cluj: Victor Ponta – 26,18%; Klaus Johannis – 73,82%
35. Sălaj: Victor Ponta – 37,06%; Klaus Johannis – 62,94%
36. Maramureș: Victor Ponta – 39,73%; Klaus Johannis – 60,27%
37. Satu Mare: Victor Ponta – 34,80%; Klaus Johannis – 65,20%
38. Bihor: Victor Ponta – 36,52%; Klaus Johannis – 63,48%
39. Arad: Victor Ponta – 34,12%; Klaus Johannis – 65,88%
40. Timiș: Victor Ponta – 33,26%; Klaus Johannis – 66,74%
41. Caraș-Severin: Victor Ponta – 51,93%; Klaus Johannis – 48,07%
42. Mehedinți: Victor Ponta – 63,26%; Klaus Johannis – 36,74%
43. Rumänen im Ausland: Victor Ponta – ?; Klaus Johannis – ?

Vergleicht man diese Resultate mit den Ergebnissen des ersten Wahlgangs vom 2. November, so kann man, ohne zu übertreiben, von einem Erdrutsch für Victor Ponta reden. Das wird besonders dann deutlich, wenn man die Zugewinne der zwei Kontrahenten zu ihren ersten Wahlergebnissen betrachtet. Es gab sogar Kreise in denen Johannis seinen Konkurrenten überholt hat, obwohl der in der ersten Wahlrunde klar in Führung lag. Das krasseste Beispiel ist der Verwaltungskreis Tulcea im Donaudelta. Dort lag nach dem ersten Wahlgang Ponta vor Johannis mit 42,76% zu 29,41% der gültigen Stimmen. In der Stichwahl konnte Johannis den Kreis für sich mit 52,63% zu 47,37% entscheiden. Während Victor Ponta gerade mal 4,61% an Boden gut machen konnte, hat Klaus Johannis mit einem Plus von 23,22% gepunktet. So sah es eigentlich in mehr oder weniger ausgeprägter Form im ganzen Land aus.

Es ist eindeutig, dass viele Ungarn in der Stichwahl ihre Stimme Johannis gegeben haben. Im Kreis Harghita, wo Kelemen Hunor in der ersten Runde die zwei Favoriten klar hinter sich gelassen hatte, hat jetzt der Bürgermeister den Premier um 59,56% überholt. Auch in den von Ponta gewonnenen Kreisen hat Johannis überdurchschnittlich zulegen können. Um nur ein Beispiel von vielen herauszugreifen: In Ialomița lag Ponta beim ersten Urnengang mit 53,61% zu 18,99% vorne; ein beruhigender Vorsprung von 34,62% sollte man meinen. Der ist dann bei der Stichwahl auf 22,80% geschrumpft. Hier, in einem seiner besten Verwaltungskreise, konnte Ponta nur 7,79% zulegen, während Johannis zu seinem ersten Wahlergebnis ein Plus von 19,61% einfahren konnte. Das alles deutet auf eine starke Wechselstimmung im ganzen Land hin. Da haben auch patriotische Appelle – der Stadionauftritt Pontas hat doch stark an die Lichtjahre Ceaușescus erinnert - und schmutzige Angriffe auf die Person Johannis nichts mehr geholfen.

Auch in den großen urbanen Zentren des Landes mit ihren Universitäten konnte Johannis entscheidend für sich punkten. Sowohl in der Hauptstadt als auch in deren Umland lag er vor Ponta. Das zeigt, dass die Jugend, die Intellektualität und die Zivilgesellschaft mit ihren Nichtregierungsorganisationen hinter dem neuen Präsidenten stehen werden – mit der immer berechtigten Frage, wie lange.

Zudem muss man dem Siebenbürger Sachsen und seinem Wahlteam zugestehen, dass sie den richtigen Riecher hatten, als sie in den zwei Wochen vor der entscheidenden Stichwahl die schlechte Organisation der Wahl in der Diaspora beim ersten Wahlgang zu ihrem Hauptwahlkampfthema auserkoren. Die Mobilisation der Auslandsrumänen hat so manchen westlichen Beobachter in Staunen versetzt und Victor Ponta ein demütigendes Ergebnis beschert. 

So wird also Rumänien ab dem 22. Dezember 2014 (Amtseinführung) voraussichtlich für die nächsten fünf Jahre einen neuen Staatspräsidenten haben. Was sich auf absehbare Zeit nicht ändern wird, sind die vielen Probleme, die das Land hat. Besonders die politischen könnten eine Wende zum Guten lange verzögern oder sogar vereiteln. Klaus Johannis kann nach Verfassungsprärogativen als Präsident ja nicht regieren, wie er es so erfolgreich als Bürgermeister über viele Jahre getan hat. Er kann nur versuchen, positiv auf die Regierung einzuwirken. Die aber wird nach wie vor von Victor Ponta geführt und hat ihre eigenen Vorstellungen mit einer satten Mehrheit in Parlament und Senat – zumindest bis jetzt.

Dem gegenüber steht eine enorme Erwartungshaltung der Rumänen. Das war schon beim Sturz der Diktatur vor 25 Jahren so, dass das Land in einen Euphorietaumel verfiel, aus dem es dann mit einem riesigen Kater erwacht ist. Bei Mircea Cărtărescu klingt das so: „Wir hatten drei Tage des Glücks und 25 Jahre Unglück. Das ist in aller Kürze die Geschichte Rumäniens im Postkommunismus.“  Die über 3 Millionen im Ausland lebenden Rumänen sind das beste Beispiel für diese labile kollektive Geisteshaltung. Klaus Johannis hat zwar immer wieder vor übertriebenen Erwartungen gewarnt und von einem Zeitraum von 10 Jahren gesprochen, den man benötigt, um das Land wirtschaftlich, sozial und politisch gründlich reformieren zu können. Aber ob das Volk diese realitätsnahe Rhetorik auch verstanden hat, darf man ruhig anzweifeln.

Die deutsche Presse hat dieser rumänischen Wahl viele Spalten gewidmet. Einen der schönsten Artikel fand ich in der Tageszeitung DIE WELT. Dort stellt Dirk Schümer den Wahlsieger Klaus Johannis ans Ende einer Reihe aus Rumänien stammender Persönlichkeiten wie Jonny Weismüller, Peter Maffay, Richard Wagner, Herta Müller, William Totok, Stefan Hell, Roland Kirsch, Rolf Bossert und Hansi Schmidt. (Natürlich könnte man diese Liste ohne große Mühe fortsetzen.) Der kleine, aber feine Unterschied zu Klaus Johannis besteht bei all diesen Persönlichkeiten in der Tatsache– mit Ausnahme von Roland Kirsch -, dass ihre rumäniendeutsche Abstammung sich im Laufe ihres Lebens zu einem bundesdeutschen Migrationshintergrund entwickelt hat.

Doch jetzt geht es erst mal um einen gelungenen Start in das höchste Staatsamt (mit all seinen Einschränkungen). Dazu und für die kommenden Jahre kann man dem Präsidenten Rumäniens, Klaus Johannis, nur alles Gute wünschen. Auch der Europäischen Union würde ein politisch stabiles und wirtschaftlich prosperierendes Rumänien gut tun.
Anton Potche

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