Der Journalist Virgil
Lazar schreibt in einem kurzen Artikel in der ROMÂNIA LIBERĂ (11. Oktober
2013) über die Volksdichtung im Banat. Er erinnert sich an einen Besuch des aus
der Orawitzaer Gegend stammenden Bauernschriftstellers Ioan Românul in der Temeswarer Filiale des Rumänischen
Schriftstellerverbandes. Im Büro des schon damals berühmten Banater
Schriftstellers Mircea Şerbănescu (1919 –
2012) spielte sich dann folgende von Lazar
genüsslich geschilderte Szene ab: „Er trug im Arm einen Quersack, in dem er ein
Manuskript mit einer Geschichte aus der Welt seines Dorfes, aber auch eine
Flasche mit Schnaps verstaut hatte. Dann legte er, vorsichtig wie bei einem
Ritual, rote Zwiebel und ein ansehnliches Stück Speck neben frisches Brot aus
dem Backofen auf den Tisch. ‚Das alles‘, sagte er mit sanfter Stimme, ‚damit
der Inhalt des Manuskripts den Kritikern nicht schwer auf den Magen schlägt‘. Die
Geschichte sollte abends im Literaturkreis vorgetragen werden.“ Frankfurter Verhältnisse in ruraler Aura, das gab es schon in den 50er Jahren in Rumänien.
Dieser „paur“ (Bauer) Ioan
Românul war kein Einzelfall im Banat. Virgil
Lazar schreibt von „vielen Bauern, große Bücherfreunde, die in ihren Häusern
wahre Bibliotheken angesammelt hatten“. Natürlich hat die eine oder andere
Anekdote aus dem literarischen Dorfleben des Banats überlebt. So soll Rumäniens
Nationaldichter Mihai Eminescu (1850
- 1889) als Schauspieler der wandernden Schauspieltruppe des legendären
rumänischen Schauspielers, Regisseurs, Theaterdirektors, Professors,
Übersetzers, Dramaturgs und Publizisten Mihail
Paskaly (1830 – 1882) im Haus der Eltern Iulian Grozescus (1830 - 1872) in Großkomlosch / Comloşu Mare übernachtet
haben. Später, als Grozescu Redakteur
der Kulturzeitschrift Familia des Iosif Vulcan (1841 - 1907) war,
debütierte in eben diesem Blatt Eminescu
mit dem Gedicht De-aş avea (Wenn ich doch
hätte). Es soll aus jenen fernen Zeiten noch ein „Liliputgedichtbändchen“
mit Gedichten von Eminescu im Dorf
existieren.
Das „Phänomen“ der Bauerndichter
war laut Gabriel
Ţepelea (1916 - 2012) aber spezifisch
für das Banat, also in anderen rumänischen Landesteilen so nicht anzutreffen.
Auch Camil
Petrescu (1894 - 1957) hatte eine hohe
Meinung von der Dorfliteratur im Banat. Er wird mit der Aussage zitiert: „Die
Banater haben einen großartigen Kunstsinn.“ Dazu gehören natürlich auch die
deutschen Mundartautoren. Man könnte aus heutiger Sicht sogar sagen, besonders
sie. Denn wenn man die banatschwäbische Mundartliteratur betrachtet, dann kommt
man doch auf eine erhebliche Anzahl von Autoren und Werken, wenn auch nicht
alle Buchveröffentlichungen vorweisen können.
Virgil Lazar erwähnt,
stellvertretend für viele, den „Großkomloscher“ Mundartautor Michael Holinger. Der soll Lustspiele wie „Hanz al nostru”,
,,Pentru o nimica toată“, „Schimbul doi“ geschrieben haben. Gemeint ist
natürlich Michael Holzinger (1920 –
1996) aus Ostern, dessen bekanntestes Laienspiel „Unsr Hansi“ ist. Wie auch
immer, schön ist, dass man sich in Rumänien auch einer längst untergegangenen
deutschen dörflichen Literaturlandschaft erinnert.
Dass es dabei aber nicht allein um
eine Dialektliteratur geht, sondern um eine viel reichere literarische Ernte,
die der „fruchtbaren Welt des Banater Dorfes“ entsprungen ist, weiß
mittlerweile die gesamte literarische Welt. So fällt auch in diesem Artikel
dann zum Schluss der Name Herta Müller,
deren Bücher „die besondere Atmosphäre dieser Region evozieren“.
Freilich freut man sich als Banater Schwabe, wenn man solche Artikel in der rumänischen Presse findet. Mehr noch, man denkt instinktiv zurück, und es fällt einem auch der ein oder andere Name ein. Als Jahrmarkter dachte ich zum Beispiel sofort an Marianne Ebner (1920 - 2007), Franz Frombach (1929 - 1999) und Katharina Kilzer (*1959).
Anton Potche
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