Montag, 6. Mai 2013

Preisverleihung bei den 20. Ingolstädter Literaturtagen

Die Ingolstädter Literaturtage sind in vollem Gange. Und sie sind so vielseitig wie selten zuvor. Von Lesungen mit und ohne Musik, Poetry Slam, Sammellesung mit Zeitungsschreibern, Literarischer Nacht sowie Preisverleihung ist alles dabei, und das an verschiedenen Orten, vom Altstadttheater zum Kulturcafé, über die Bastei und das Verlagshaus bis zum... Schwurgerichtssaal. Ein ungewöhnlicher Ort für die Literatur, wie Sibylle Dworazik, die Präsidentin des Landgerichts Ingolstadt, zur Begrüßung der Preisträger und eines zahlreichen Publikums bei der Preisverleihung des Schülerschreibwettbewerbs 2013 meinte. An diesem Sonntag (5. Mai 2013) würden Realität und Scheinwelt zusammentreffen. Das Thema des Schreibwettbewerbs habe dies ermöglicht. Die Schüler aus Stadt und Region waren heuer nämlich dazu aufgerufen, eine Kriminal-Geschichte zu schreiben.

Ein bis zum Überdruss ausgeschöpftes Genre sei das, wenn man Cora Stephan, die als Anne Chaplet zehn Kriminalromane geschrieben und zweimal den Deutschen Krimipreis bekommen hat, glauben will. Die Schriftstellerin spricht vom "Schweinezyklus", der angeblich lehrt, dass "man die Produktion einstelle, wenn der Markt überfüllt ist und man auf die Zeit warte, in der wieder Bedarf entsteht." (DIE WELT, 5. Mai 2013). Es fällt nicht schwer, ihr Glauben zu schenken, wenn man sich in den Buchhandlungen umsieht. Aber vielleicht fehlt ja nur der frische Wind, ohne den die Literatur, und das unabhängig vom Genre, nicht existieren kann. Die Autobauer in Ingolstadt sprechen gerne vom KVP (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess) und meinen damit anhaltende Verbesserungszugluft, auch wenn es dem einen oder anderen schon mal zu stark zieht.

Vanessa Streitmatter auf dem Richterstuhl
Es gibt sie, diese Zugluft, auch in der Kriminalliteratur. Man muss nur das richtige Fenster öffnen, um sie zu spüren. Im Rahmen der 20. Ingolstädter Literaturtage hat das durch Johannes Langer regieführende Kulturamt heuer genau das getan: Das richtige Fenster geöffnet. Und mit Erfolg. Schüler und besonders ihre Kolleginnen schreiben nämlich hervorragende Kriminalgeschichten. Davon konnte sich das restlos begeisterte Auditorium im Schwurgerichtssaal des Ingolstädter Landgerichts überzeugen. 

In der Altersstufe 5. - 6. Klasse wurden fünf Preise (Gutscheine von Hugendubel) vergeben. Die beste preisgekrönte Geschichte hat ihre Autorin, Nika Karola Hannemann von der Realschule am Keltenwall in Manching, vorgelesen. Mäuschenstille herrschte im Saal, als die Ich-Erzählerin dem Räuber des Aztekenkalenders aus dem Stadtmuseum auf die Schliche kam. Da musste sogar die ermittelnde Polizei die Überlegenheit eines hellen Kinderkopfes zugeben, zum Vergnügen der Zuhörer - versteht sich.

von links: Vanessa Streitmatter,
Nika Karola Hannemann
Verena Wagner
Fünf Preise wurden auch für die besten Arbeiten der Sieben- bis Neunklässler vergeben. Verena Wagner vom Gnadenthal-Gymnasium Ingolstadt hat den ersten Preis von der fünfköpfigen Jury (Eva Krauser-Geitner - Hugendubel, Heike Marx-Teykal - Stadtbücherei, Ines Schachtschabel-Langer - Johann-Michael-Sailer-Schule, Kerstin Schulz - Radio IN und Johannes Langer) bekommen. Eine Wiederholungstäterin in Sachen Schreibwettbewerb sei hier am Werk, sagte Johannes Langer. Und das hörte man. Wer bei dem Alter so schreibt, muss den Kuss der Muse empfangen und erwidert haben. Die Stalkergeschichte hatte eine bedrückende Stille im Schwurgerichtssaal zur Folge. So muss es da wohl sein, wenn schicksalsträchtige Urteile verkündet werden. 

Aber so kann man ja Literaturfreunde nicht in einen sonnigen Maitag entlassen. Dieser Meinung war anscheinend auch die erste Preisträgerin der Jahrgangsstufen 10 bis 12, Vanessa Streitmatter vom Katharinen-Gymnasium Ingolstadt. Ein Kontrastprogramm par excellence ward hier dem dankbaren Publikum geboten. Eine Kriminalgeschichte, in der die Autorin das Genre selbst parodierte, indem es seine eingetretenen Pfade einfach mal verließ und sowohl den Schülerliteraturbetrieb - warum entschließt man sich überhaupt teilzunehmen -, als auch die Klassenatmosphäre, wie auch die übertriebene Sorgfalt der Mutter - mein Gott, man hat ja ein pubertierendes Mädchen - und nicht zuletzt sich selbst auf die Schippe nimmt. Und das alles in einer sehr gefälligen, fließenden, anregenden Sprache. Dazu gesellte sich ein sehr lockerer Vortrag. Bei all dem wurde aber die gattungsspezifische Spannung nie gelockert.

Zum Schluss warteten die Organisatoren noch mit einer Überraschung auf: Alle Preisträger durften sich für eines von drei Themen für den Schreibwettbewerb 2014 entscheiden. Die meisten Stimmen bekam Die Musik. Apoll wird's freuen. Und Vanessa Streitmatter wahrscheinlich auch. Sie eilte gleich nach der Preisverleihung zu einem Auftritt ihres Blasorchesters. (Zwischen dem ersten und letzten Foto dieses Beitrages liegen knapp vier Stunden.) Literatur- und Musikaffinität haben sich schon immer ergänzt, ja, wahrnehmbar befruchtet; nicht nur, aber nachweisbar auch in Ingolstadt. Schon von dem neuzeitlichen "Dichterfürsten und Ingolstädter Poeten-Professor" (so die INGOLSTÄDTER HEIMATBLÄTTER), Marcus Tatius Alpinus (um 1509 - 1562), wissen alte Chroniken zu berichten, dass er sich in seinen Lehrjahren den Lebensunterhalt "durch Musizieren und Betteln verdienen" musste. Zum Glück müssen heute weder der Ingolstädter Poet und Musiker Michael von Benkel oder der Maler, Musiker, Komponist und Dichter Klaus W. Sporer (um nur zwei Namen aus der Reihe der hiesigen Multikünstler zu nennen) noch die aus olympischem Geist - dabei sein ist alles - schreibende Gymnasiastin Vanessa Streitmatter aus Not musizieren oder gar betteln.

Die Zeiten sind gut. Junge Menschen sollten sie nutzen und ihren kreativen Trieben freien Lauf lassen. Vorbilder gibt es genug. Man muss sie nur wahrnehmen und ihnen nacheifern. Einige kann man in der Literarischen Nacht, am Freitag, 10. Mai 2013, ab 19:00 Uhr in der Harderbastei zu Ingolstadt erleben. Einen langen Abend mit viel Literatur und Musik verheißt das Programm der damit ausklingenden Ingolstädter Literaturtage anno 2013. Als literarisches Dessert zu den Literaturtagen, wird im Laufe des Jahres noch eine Anthologie mit den besten Texten des Schülerschreibwettbewerbs erscheinen.

Anton Potche

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