Seppi und Peppi sitzen im Bahnhofscafé des nicht
mehr ganz so bedauernswerten Bahnhofs einer deutschen Großstadt. Glatteis.
Alles rutscht. Alles.
- Jetzt bin ich Bürger.
- Ich vielleicht nicht?
- Aber kein Wutbürger! Dafür musst du schon etwas tun.
- Da schau her. Muss man
als Bürger wütig sein?
- Nicht unbedingt, aber
engagiert. Verstehst du? Man muss etwas tun.
- Also rück endlich raus
damit. Was hast denn gemacht? Hoffentlich ist es nicht wieder ein Schmarrn.
- Ich war in der
Bürgergemeinschaft.
- Was ist denn das?
- Na eine Gemeinschaft.
Von Bürgern. Wutbürgern.
- Und was macht ihr dort?
- Der Verwaltung und dem
Stadtrat Feuer unter den Arsch.
- Das ist gut. Auch gegen
Glatteis. Feuer, mein' ich.
- Ich meine das ernst. Kein
Witz. Ich war dort. Und viele andere auch.
- Ja, ist das ein Verein?
- Nein, nur so, jeder kann
hingehen und sagen, was ihm nicht passt.
- Und was hast du gesagt?
- Nichts.
- Nur zugehört?
- Ja. Die haben sich jetzt
schon zum zweiten Mal getroffen. Zum ersten Mal am 11. November. Damals haben
sie elf Themen behandelt, die in Ingolstadt besser laufen müssten.
- Waren das Narrenthemen?
- Nein. Ernste Sachen. Ich
war ja nicht dort. Aber so stand es in der Zeitung.
- Und wann habt Ihr euch
jetzt getroffen.
- Am 12. Dezember.
- Vielleicht mit 12
Themen?
- Ja.
- Hm, hm. Und um was ging
es da?
- Sie wollen zum Beispiel
die Röss-Villa kaufen.
- Wer? Die
Bürgergemeinschaft?
- Nein, nicht so. Die
Bürgergemeinschaft will, dass die Stadt die Villa kauft.
- Das ist gut. Bei der
Wohnungsnot in Ingolstadt. Da könnte man Sozialwohnungen einrichten.
- Ja, aber die Stadt
scheint nicht zu wollen. Einer hat gemeint, man könnte das Ding mit Spendengeldern
kaufen.
- Was soll denn das Haus
kosten?
- Drei Millionen, hat
einer geschätzt.
- Peanuts! Na gut. Und was
habt ihr noch so beschlossen?
- Beschlossen nichts. Nur
diskutiert. Ob zum Beispiel, die Tagungsteilnehmer, die im neuen
Kongresszentrum tagen werden, auch ihre Frauen mitbringen werden, und ob die
dann das Geld ihrer Managermänner in der Altstadt ausgeben werden.
- Hoch interessant. Das
klingt ja schon fast nach philosophischer Wirtschaftanalyse.
- Ja. Ich habe mich auch
eingeschrieben.
- Wo?
- In die Liste. Ich bin
jetzt Wutbürger. Und ich werde zur nächsten nichtöffentlichen Sitzung
eingeladen. Die machen dann eine Partei. Weißt du? Und dann machen sie den
anderen Stadträten so richtig Feuer unter den Arsch.
- Ja, das hab' ich schon
gehört. Und weiter?
- Wir treten an. Weißt du?
Mit einer Liste. Du weißt schon. So echt Politik. Und wenn ich bei den Ersten
bin, komm' ich vielleicht auch auf die Liste.
- Na wenn du dich
eingetragen hast...
- Nein, nicht die Liste,
so eine andere, für den Stadtrat, eine Stadtratsliste. Für die nächste
Kommunalwahl. Dann kandidiere ich für den Stadtrat. Verstehst du?
- Ja, ja. Natürlich.
- Du kannst ja das nächste
Mal auch mitkommen. Dann bist du auch Bürger. Wutbürger.
Bürgergemeinschaftsbürger.
- Wann ist denn das
nächste Bürgergemeinschaftstreffen?
- Am 1. Jänner.
- Und dann mit einem
Thema?
- Ja, so wird das sein.
Das wird man dann auch richtig vertiefen können. Kommst du mit?
- Natürlich. Wenn die Welt
nicht vorher untergeht.
- Am 21. Dezember? Glaubst
du daran?
- Auf jeden Fall glaubt
man in Ingolstadt daran. Und man wird das sogar mit Blasmusik feiern.
- Den Weltuntergang mit
Blasmusik?
- Ja, die
Bläserphilharmoniker von Audi spielen dazu im Festsaal des Stadttheaters.
- Ich hab doch gelesen,
das wäre ein Weihnachtskonzert.
- Schon, schon. Aber wenn
ab dann die Welt nicht mehr ist, gibt es auch keine Weihnacht mehr. Und die
Audianer haben ausgeblasen.
- Trinken wir noch was?
Es ist so rutschig, dass man am liebsten zu Hause
sitzen bleibt. Oder in seinem Bahnhofscafé.
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