Mit Ranger Martin durch den Rauriser Urwald
Willst du den Nationalpark
Hohe Tauern mit allen Sinnen erleben, musst du dich nur einem Ranger
anvertrauen. Das haben wir getan, Frau Potche und ich. Und das war gar nicht
schwer, obwohl es am Anfang zu einigen Irritationen geführt hat. Als ich im
Rauriser Tourismusbüro unsere Teilnahme an einer „geführten Wanderung in den
Rauriser Urwald“ anmeldete, fragte die charmante junge Dame mich nach Name und
Unterkunft. „Potche“, sagte ich, „im Haus Potche.“ Die Frau sah kurz auf, ging dann zu ihrem Dienst-PC, tippte etwas auf der
Tastatur, hielt für einen Augenblick inne, schaute dann auf und fragte: „Und
Ihr Name ist auch Potche?“ „Ja“, sagte ich. Dafür bekam ich noch ein
freundliches Lächeln und die Bestätigung unserer Anmeldung.
Wir fuhren in die Tiefe
des Raurisertals, rechts den bewaldeten Platteck (1.855 m), dann die schon
etwas stattlicheren Leiter-, Mitterkar-, Kogelkar- und noch einige andere Köpfe (alle über
2.300 m), links den Edertrog (1.860 m) und, schon auf halber Luftlinie zu Bad
Gastein, den Rührkübl mit seinen 2.472 m. Und wir staunten nicht nur ob der
schönen Berglandschaft, sondern auch wegen der Schranke und dem Mauthäuschen,
vor dem wir plötzlich standen. Ab hier bis zum Lenzanger geht’s über eine
Privatstraße, ließen wir uns belehren. Mautgebühr: 8 Euro mit Gästekarte.
Dann wurde es ernst für
uns Menschen der Ebene: 5 Serpentinenkehren mit den dazugehörenden Kommentaren:
Nicht so schnell, pass doch auf, da kommt einer, fahr nicht so weit rechts etc.
Auf dem Parkplatz trafen
die Wanderfreunde ein, unter ihnen auch ein Ortskundiger. Als Ranger der
Nationalparkverwaltung Salzburg stellte er sich den 15 erlebnishungrigen
Urlaubern vor: Martin. Im Logo
seiner Weste: Martin Unterhofer. Ein
Typ wie geboren für diesen Job. Vor Jahren waren es noch Bergführer. Anleihen
aus Amerika haben sich eben auch in den österreichischen Alpen durchgesetzt.
Das sollte aber der Urigkeit des Rangers Martin
in keiner Weise abträglich sein: Vollbart, eine schlanke, sehnige Gestalt,
redselig, ohne ins Geschwätzige abzugleiten, dazu ein guter Zuhörer – auch
bei dieser Gruppe waren Leute mit Detailkenntnissen über Fauna und Flora – und
nicht zuletzt ein Begeisterter seines Metiers. Das war sofort spürbar und erweckte
Vertrauen. Ja, dann dieser Dialekt des Rangers – „Wenn ich das Hochdeutsche
bemühe, könnte sich unsere Wanderung verlängern.“ – führte schnell zu der
spontanen Sympathiebildung, die einer Wanderung eine nicht unerhebliche
Unvergesslichkeitsaura angedeihen lassen kann. Martin spricht ein Deutsch mit wohlklingendem Dialekteinschlag aus
seiner Südtiroler Heimat – ein Bergmensch wie er leibt und lebt.
Es waren nicht gerade die
einfachsten, befestigten Wege, die Martin
bevorzugte – zum Vorteil der wissbegierigen Gruppe. In der letzten Eiszeit
müssen hier ganze Bergmassive abgestürzt sein. Das hat zu Hügelketten und
Bilderbuchtälern geführt, die zwischen den Gipfeln der Hohen Tauern eine
Urwaldlandschaft ermöglichten. Auf ca. 200 Metern Höhenunterschied kann man
eine dicht bewaldete Bergwelt erleben, die seit mehr als 300 Jahren keiner
forstwirtschaftlichen Nutzung unterliegt. Natürlich kann auch ein Profi wie
Ranger Martin nicht garantieren,
dass man auf einer vierstündigen Wanderung durch dichten Wald einem Rotwild
begegnet oder einen Grashüpfer, Auerhahn, Grasfrosch, Raufußkauz,
Fichtenkreuzschnabel und anderes Getier gewahr wird.
Unübersehbar waren aber
die vielen „Lacken“. (Da also kommt der „Wasserlacke“ aus meiner Jahrmarkter
Mundart her.) Moortümpel der verschiedensten Größen säumten unseren Weg.
Nieder-, Mittel- und Hochmoore gibt es. Und dann weicht Martin wieder mal von der üblichen Route ab, um zum größten der
Moore zu gelangen, dem einzigen mit eigenem Namen: Fiebinger Lacke. Ein kleiner Bergsee. Schwarz wie der Mohr. Es ist
aber nicht das einzige Wasser hier oben (aus Talsicht) oder hier unten (aus
Gipfelsicht). Der Durchgangsbach bleibt immer in der Nähe. Unüberhörbar und nur
ab und zu sichtbar, rauscht er in die Tiefe.
Am Ende der Wanderschaft
liegt der „Ammerhof Kolm Saigurn“, laut Reiseprospekt „ein kleines Paradies im
schönsten Talschluss des Nationalparks, Ausgangspunkt für herrliche
Bergwanderungen, Panoramaterrasse, Hausmannskost und selbstgebackenes Brot aus
dem Holzbackofen“. So ist es. Und der Weg zurück zum Parkplatz führte durch das
Tal der Quellen – eine weitere landschaftliche Köstlichkeit.
Rauris, 05.09.2012
Anton Potche
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