Eigentlich war es nie
meine Sache, Musik in ernste und unterhaltsame einzuordnen. U-Musik ohne Ernst
gespielt ist nur schlechte Musik. Und E-Musik ohne Unterhaltungswert ist um
nichts besser. Aber sie sind immer wieder anzutreffen, diese oberflächlichen Unterscheidungen
zwischen E- und U-Musik, was natürlich nichts mit Genreunterschieden zu tun
hat. Selbst die Instrumente werden oft nach E und U kategorisiert. Orgel ist
natürlich ein E-Instrument. Das Saxophon aber?
In einem fast 50 Jahre
alten Musiklexikon heißt es: „Das von Adolphe Sax 1840 erfundene
Blechblasinstrument mit komischem Rohr, weit ausladendem und gekicktem Trichter
und einem Rohrblatt wie bei der Klarinette wurde zwar von Verdi, Bizet, R.
Strauss u. a. beachtet, setzte sich aber erst durch den Jazz allgemein durch.“ Nun kann Jazz zwar sehr
unterhaltsam sein, wer ihm aber seine Ernsthaftigkeit abspricht, versteht nicht
besonders viel von Musik und Instrumenten, schon gar nicht von Blasinstrumenten.
Das Gleiche gilt für das Instrumentarium der verschiedenen Musikgattungen. Eine
simple Trennung in E- und U-Instrumente ist unsinnig. Den besten Beweis dafür
liefern Musikdarbietungen, bei denen Instrumente der beiden gekünstelten
Kategorien aufeinandertreffen.
Das war kürzlich bei einem
SonntagsMatinee-Konzert in der Ingolstädter Asam-Kirche Maria de Victoria
wieder klar ersichtlich. Orgel & Saxophon. Welch geglückte Klangsymbiose.
Dass dabei natürlich auch zwei hervorragende Musiker unabdingbar sind, versteht
sich von selbst. Die ganze Widerlegung von E und U macht sowieso nur Sinn, wenn
wir immer von guten und sehr guten Musikern sprechen, Profis wie Amateuren.
In diesem Konzert hießen
die Protagonisten Marco Lo Muscio
(Orgel) und Jürgen Bachmann
(Saxophon). Der 1971 in Rom geborene Italiener ist ein sehr vielseitiger
Musiker. Er spielt nicht nur Werke anderer Komponisten auf der Orgel und dem
Klavier, sondern nimmt in seine Konzerte auch eigene Kompositionen auf. Als er
mit seiner White Prelude einer Hommage á Boccacio das Konzert
eröffnete, war das Klangvolumen beeindruckend. Wer um diese Mittagsstunde
vielleicht noch etwas müde von einer zu langen Samstagnacht daherkam, war
plötzlich präsent. Eine straffe Rhythmik und an wummernde Bässe – nur in der
Frasierung viel klarer erlebbar - erinnernde Pedalvirtuosität prägten auch
seine zweite Eigenkomposition, Red Pedal
Solo. Die zwei Stücke seines Landsmannes Paolo Lazzeri (*1953), Toccata
Rieger und Deep Gothic, sprechen
eine Orgelsprache, die durch ein eigensinniges Ostinato nervend empfunden werden
kann. Vielleicht sollte man in solchen Fällen bei den Wiederholungen eines
Motivs mitzählen, so als handwerkliche Wahrnehmung eines Musikstückes. Aber wie
gesagt, das ist alles nur möglich, wenn da oben ein Meister seines Instruments
am Werke ist. Bei Marco Lo Muscio war das der
Fall.
Der Absolvent mehrerer
italienischer Musikakademien komponiert auch für andere Instrumente. Und wie!
Seine Vocalise I für Saxophon und Orgel
ist das genaue Gegenteil des bisher Gehörten. Weiche Klangstrukturen und
liebliche, stellenweise tragische Melodien lassen in einem den Wunsch
aufkommen, es würde nie enden. Dieser Saxophonton erklang nicht zum ersten Mal
in dieser Kirche. Jürgen Bachmann ist
kein Unbekannter in der Audi-Stadt. Bis diesen Sommer verantwortete er das
Kulturengagements des Autokonzerns. Man schätzt hierzulande auch seine
hervorragende gesanglichen Fähigkeiten. Der Musiker und Manager studierte
nämlich klassisches Saxophon, klassischen Sologesang und Betriebswirtschaft.
Bachmann prägt einen Musikstil, der nicht der so oft, ja allzu oft anzutreffenden
Sucht nach Virtuosität um jeden Preis erliegt: je mehr Noten in je weniger
Takten, je höher desto besser usw. Nein. Hier werden Geschichten erzählt.
Hunderte. In jedem Zuhörerkopf eine andere, während die Musik erklingt, das
Saxophon die Menschen zur Einkehr, zur inneren Einkehr regelrecht zwingt. Was
kann man von Musik mehr erwarten. Warum sind Stücke wie Jean Bouvards (1905 – 1996) Priére für Saxophon und Orgel (Video auf ZouTube) so kurz? Selbst die
über sieben Minuten dauernde Rêverie für
Saxophon und Orgel von Claude
Debussy (1862 – 1918) kommt einem wie ein Augenblick vor. Wen wundert’s?
Bei dieser Interpretation!
Anton Potche
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