Sonntag, 24. Juli 2011

Verschandeltes Deutsch

Eine Sprache ist lebendig und daher stetigen Änderungen unterworfen. Auch Deutsch. Dass es dabei viele willkürliche und unnötige Eingriffe seitens wissenschaftlicher Gremien gibt, ist keine Neuheit. Andererseits werden auch sinnvolle Reformschritte unternommen. Als die Konferenz zur Vereinheitlichung der deutschen Rechtschreibung am 17. Juni 1901 in Berlin tagte und auf das "th" in deutschen Wörtern verzichtete oder so manches "c" mit einem "k" ersetzte, war das bestimmt nicht verkehrt. Zumindest nicht für uns Nachgeborene. Was Goethe dazu gesagt hätte, können wir nur vermuten. Er hätte sich wohl wie Grass und andere Literaten nach der letzten Rechtschreibreform (1996) verhalten, also nicht gerade zustimmend.

Gut, an den Verlust oder Zugewinn des einen oder anderen Buchstabens gewöhnt man sich mit der Zeit. Schlimmer ist es mit den eingedeutschten oder willkürlich benutzten Wörtern aus anderen Sprachen. Besonders die sogenannten Anglizismen wuchern fröhlich im deutschen Sprachbeet mit all seinen wunderbaren Pflanzen. Und so mancher Journalist kann sich nicht beherrschen, seine Fremdsprachenkenntnisse mittels dieses Sprachunkrauts zu beweisen. Alle werden mich ob dieser Gescheitheit bewundern, wird er sich wohl denken. Wenn er sich nur da nicht mal täuscht.

 Andrei Pleşu sagte vor Jahren in Hamburg bei der Entgegennahme des Joseph-Bech-Preises: „Es gibt schon eine >hölzerne Sprache< des kommunitären Vortrags, es gibt Klischees, protokollarische Euphorien und gestikulatorischen Missbrauch.” Und er stellt zu dieser und anderen Äußerungen die rhetorische Frage: „Wozu soll dann all dieser Übereifer gut sein?” Es ging damals in seinem Diskurs um den Exterioritäts-Komplex der EU-Kandidatenländer. Rumänien ist längst dabei. Der Übereifer ist geblieben und schlägt sich auch in der Sprachnachahmung nieder. Die hölzerne Sprache der Politik wird im rumänischen Journalismus von einem Anglizismuswahn begleitet, der die „denglischen” Sprachpantscher des deutschen Sprachraums in den Schatten stellt. In fast allen Zeitungen wurde, um nur ein Beispiel zu nennen, der heimische und im Rumänischen männliche sfârşit de săptămână (unser weibliches Wochenende) längst vom abgedroschenen und egalisierenden weekend verdrängt.

Diesem Übereifer sind auch die wenigen – erfreuliche Ausnahmen von diesen Wenigen bestätigen natürlich auch hier die Regel – Journalisten der deutschen Zeitungen aus Rumänien verfallen. Wer diese Blätter durchsieht, wird schnell erkennen, dass besonders deutsch schreibende, aber aus rumänischen Familien kommende junge Journalisten anscheinend ihren rumänischen Kollegen um keinen Preis im Anglizismenrun nachstehen wollen. Am 25. Mai konnte man in der BANATER ZEITUNG / Temeswar lesen, dass „Warsaw Village Band, Forbidden City Chamber, Beefólk und Tündérground die Performer sind”, die beim Plai-Festival in Temeswar performen werden. Das sind Musikgruppen, die bei einem Musikfestival auftreten werden. Mal ganz abgesehen davon, dass ein Performer in der Regel allein auftritt, um seine Performance, also Vorführung, darzubieten, stellt sich bei mir die Frage, was die nicht mehr allzu junge Leserschaft der Temeswarer Zeitung wohl mit solchen Berichten anfangen kann.

Auch jungen deutschen Zeitungsleserinnen und –lesern wäre besser gedient, wenn Alexander Hausvater die Botschaft seiner Inszenierungen statt einer Message derselben erläutern könnte. (BANATER ZEITUNG, 22. Juni 2011). Besonders gegenüber der jungen Leserschaft, die wohl großteils aus rumänischen oder rumänisch-deutschen Familien kommt, haben die Printmedien als Vermittler einer fremden Sprache eine große Verantwortung. Wer in Rumänien eine deutsche Zeitung liest, will bestimmt auch etwas Klang dieser Sprache, wenn auch nur geistig, mitbekommen und nicht das mehr oder weniger unglücklich eingeflochtene und ihr/ihm wahrscheinlich sowieso geläufige Englisch.
Anton Potche

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