Samstag, 27. Februar 2010

Heinrich Schiff zu Gast bei den Georgiern in Ingolstadt

"Im Mittelpunkt der Audi-Kulturförderung steht die Musik. Unser Engagement für das Georgische Kammerorchester Ingolstadt liegt uns dabei ganz besonders am Herzen. Vor zwanzig Jahren konnte sich das Georgische Kammerorchester Ingolstadt dank der Mithilfe der AUDI AG in Ingolstadt ansiedeln - seither ist unser Unternehmen diesem außergewöhnlichen Ensemble eng verbunden." Das schreibt Rupert Stadler, Vorsitzender des Vorstands der AUDI AG, in seinem Grußwort zum Jubiläumsjahr der Georgier, wie sie in ihrer zweiten Heimat liebevoll - oder auch mit etwas Neidgefühlen - genannt werden.

"Außergewöhnlich" ist tatsächlich nicht nur der Werdegang dieses1989 als gesamter Klangkörper im Westen gebliebenen Orchesters, sondern vor allem seine Musik. Zwischen den Welten nennen die Georgier ihr Konzertprogramm 2010. Wer mag ihnen diesen Titel der Besinnung auf die ureigensten kulturellen Werte und deren Einbettung in die universale Klangwelt nicht vergönnen?
FotoQuelle: Programm

Vielversprechende Konzertzyklen mit namhaften Gästen stehen auf dem Programm. Gestern abend musizierte Heinrich Schiff mit den Georgiern im Festsaal des Theaters Ingolstadt. Der weltberühmte Cellist war auch als Dirigent angekündigt.


Man staunte aber nicht schlecht, als das Georgische Kammerorchester Ingolstadt in seiner Normalbesetzung mit Wolfgang Amadeus Mozarts (1756 - 1791) Divertimento F-Dur für Streicher, KV 138 (KV 125C) loslegte, ohne dass im Bühnenbereich ein Dirigent in Sicht gewesen wäre. Der im Publikum sitzende Chefdirigent des Orchesters, Ariel Zuckermann, machte auch nicht die geringsten Anstalten, die auf ein Eingreifen hindeuten konnten.

Da spielten fünf Frauen und fünfzehn Männer zwar nur die Komposition eines 15-Jährigen, die Musikwissenschaftler zur klassischen Unterhaltungsmusik zählen, aber sie taten es mit einer Hingabe und einem Spielwitz, der die musikalische Genialität des pubertierenden Mozart voll zur Geltung brachte. Wie die Georgier dieses technisch nicht zu verharmlosende Stück bewältigten - wohlgemerkt, ohne Dirigent -, war musikalisches Zusammenspiel in Reinkultur.

Dann kam er, der große Cellist Heinrich Schiff mit seinem Cello "The Sleeping Beauty", 1793 gebaut  vom italienischen Meister Domenico Montagnara. "Außergewöhnlich" war auch dieses Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1 in a-moll, Op. 33 von Camille Saint-Saëns (1835 - 1921). Heinrich Schiff spielte virtuos und gefühlvoll, aufbrausend und in sich gekehrt, alle Register an musikalischer Expressivität ziehend.

Und es is ja nicht nur das Lauschen, das ungestörte Live-Zuhören, sondern auch das Erleben des Produktionsprozeses - um in Stadlers Metier zu bleiben - von Musik, das einen solchen Konzertabend zum absoluten Kunstgenuss werden lässt. Bloß schade, dass dieses Produkt seine Genesis nicht überlebt.

Ja, er dirigierte auch, der Meister am Cello, aber wie er das tat, war aller Hochachtung wert. Als würde er dem Publikum sagen wollen, die hinter mir brauchen mein Dirigat nicht, die beherrschen ihre Stimmen perfekt, kommt, erlebt Musik mit mir, gab er sehr sparsam, mal mit einem kaum merklichen Kopfzeichen, dann wieder mit einer eleganten Handbewegung Einsatzzeichen für das hinter ihm in schon genuin anmutender Eintracht agierende Orchester. Und das, ohne sich umzudrehen; seine Mimik, sein Erleben dieser Interpretation galt dem Publikum. Das bringt Sympathien ein, ohne Frage. Und der Applaus war ein Beleg dafür.

Nach der Pause stand dann wirklich Heinrich Schiff am Dirigentenpult des auf 36 Musiker angewachsenen Orchesters. Für einen Meister, der schon die Los Angeles Philharmonic, die Phiharmonia London, das Orchestre de Paris, die Sächsische Staatskapelle Dresden oder die Münchner Philharmoniker, um nur einige zu nennen, dirigiert hat, war das bestimmt keine Albträume hervorrufende Angelegenheit. Aber schweißtreibend war sie trotzdem. Denn der Meister lebt auch als Dirigent Musik mit absoluter Intensität.

Als im ersten Satz der Sinfonie Nr. 7 in A-Dur, op.92 von  Ludwig van Beethoven (1770 -1827) im wunderschönen Echo-Spiel zwischen der ersten Oboe und den Cellos leise der Gongschlag des benachbarten Theatersaales zu hören war - sogar die Tonart stimmte -, wurde man gewahr, dass man noch da, in einer realen Welt ist. So schnell können Beethoven-Themen einen entführen.

Es ist eigentlich schade, dass im weiteren Verlauf der Sinfonie zwei etwas übermotivierte Hornisten zumindest mich immer wieder aus den entkörperten Gefilden, in die mich betont gefühlvolle Holzbläser und Streichermelodien entführten, rissen. Dem Gesamteindruck des Konzertes hat das aber dann doch nicht ausschlaggebend geschadet. Das bewies der nicht enden wollende Applaus des fast ausverkauften Hauses. Aber der Meister ließ sich zu keiner Zugabe bewegen.

Die hatte er dem Publikum vor der Pause nicht verwehrt. Er spielte einen "Marsch für Kinder" von Sergei Sergejewitsch Prokofjew (1891 - 1953) auf seiner "schlafenden Schönen".  Anmutig! Lieblich! Danke!
Anton Potche

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